Die Quellen der Gewalt

Nun, folge ich den Medien, dann haben, selbst wenn man Dunkelfelder berücksichtigt, u.a. häusliche Gewalt und politisch motivierte Gewalt ziemlich zugenommen….

Lese ich z.B. die „LeSuBiA“-Studie des BKA, dann wird mir „schwindelig“. Ich beginne aber zu ahnen, welche Relevanz das Thema insgesamt haben könnte.

Wenn ich nun versuche den Begriff zu klären, dann kommt mir als erstes sowas wie:

Gewalt liegt dann vor, wenn eine Person oder Gruppe einer anderen Person absichtlich körperlichen Schaden zufügt.
Aber wie sieht es dann mit verbaler, psychischer oder digitaler Gewalt aus? Das Wort Grausamkeit läuft mir über den Weg… und der Begriff der sogenannten strukturellen Gewalt (hier geht es um Gewalt, die in ungerechten gesellschaftlichen Strukturen steckt).

Mein Gott, sage ich zu mir, ich hätte doch auch einen Betrag über rosa Kaninchen schreiben können…🤔

Schaut man auf die vermeintlichen Ursachen von Gewalt, so könnte man ein Zusammenspiel neurobiologischer, psychologischer und sozialer Faktoren betrachten. Auch das ist oft nur schwer greifbar und ungeheuer komplex.

Also vielleicht ist weniger mehr… ich werde mich, auch weil mich das am meisten interessiert, auf die psychologischen Grundlagen beschränken.

Hier ein kleine Übersicht…

Aspekte, die im Hinblick auf Gewalt auf den einzelnen Menschen wirken können:

  • Impulskontrolle & Frustrationstoleranz
    Man hat sich nicht im Griff: Unfähigkeit, impulsive Wut- oder Rachegedanken zu kontrollieren. Die Frustrations-Aggressions-Hypothese besagt, dass Frustration eine Neigung zu Aggression erzeugt.

  • Wahrnehmungsverzerrungen
    Man nimmt es persönlich: Neutrale Handlungen anderer werden als feindselig interpretiert. „Der hat mich absichtlich angerempelt!“ Dies rechtfertigt in den eigenen Augen dann präventive Gewalt.
  • Emotionsregulationsstörungen
    Jenseits der Selbstbeherrschung: Schwierigkeiten, intensive Emotionen wie Wut, Scham oder Eifersucht angemessen zu regulieren. Gewalt wird dann als (einzige) Möglichkeit erlebt, Spannung abzubauen.

  • Geringes Empathievermögen
    Hartherzigkeit: Unfähigkeit oder Unwilligkeit, sich in das Opfer hineinzuversetzen und dessen Leid zu fühlen. Dies senkt die Hemmschwelle für Gewalt erheblich.

  • Persönlichkeitsstörungen
    Asoziales: Besonders antisoziale Persönlichkeitsstörung (gleichgültig gegenüber den Rechten anderer) und Borderline-Persönlichkeitsstörung (extreme emotionale Instabilität und impulsives Verhalten) werden oft mit Gewalt in Verbindung gebracht.

Schaut man auf Beziehungen oder das, was zwischen den Menschen abläuft, dann kann das Folgende eine Rolle spielen:

  • Soziales Lernen & Vorbilder
    Nach der Theorie des sozialen Lernens wird auch Gewalt durch Beobachtung und Imitation gelernt. Wenn Bezugspersonen (Eltern, Idole) Gewalt erfolgreich anwenden, wird dies als legitimes Mittel übernommen.

  • Gruppendynamik & Deindividuierung
    In Gruppen kann es zum Mobbing oder zu Gewalt in Menschenmengen kommen. Die Anonymität in der Gruppe (Deindividuierung) senkt die Hemmungen, da die individuelle Verantwortung schwindet (z.B. bei Fußballkrawallen).
  • Soziale Normen & „Ehre“
    In manchen Subkulturen oder Milieus wird Gewalt als notwendige und akzeptierte Methode angesehen, um z.B. Respekt zu erzwingen und Ehre zu verteidigen.
  • Konformitätsdruck
    Der Druck, sich der Gruppenmeinung anzupassen (bekannt aus dem Asch-Experiment), kann Menschen dazu bringen, gewalttätiges Verhalten mitzutragen, obwohl sie es alleine nie tun würden.

  • Entmenschlichung des Gegners
    Der Gegner wird als „untermenschlich“, „Tier“, „Schädling“ oder „Krebsgeschwür“ dargestellt. Dies schaltet Empathie und moralische Bedenken komplett aus und ist ein zentraler Mechanismus in Kriegen und Völkermorden.
    Dieser Aspekt begegnet mir jedenfalls z.Zt. ganz oft in politischen Meinungsäußerungen.

Für diesen Teil der Abhandlung lässt sich vielleicht sagen, psychologische Faktoren für Gewalt reichen von tief in der Persönlichkeit verankerten Mustern bis hin zu dynamischen sozialen Prozessen. Beides kann auch „normale“ Menschen zu Gewalttaten verleiten. 

Und, was mir beim Lesen auffällt, dass vermutlich jeder Mensch, in unterschiedlicher Gewichtung, mit dem einem oder anderen Aspekt niederschwellig ringt… bei mir jedenfalls ist das so…

Und gleichzeitig bietet diese kleine (nicht abschließende) Übersicht durchaus die konstruktive Möglichkeit, einmal in den Alltagsspiegel zu schauen, um für sich zu erkennen, wo läge denn mein persönliches Potenzial…?

Danke für das Lesen meiner Worte.

Herzlichst
Ihr
Jürgen Weist