Eine Lobrede für mehr „Angstfähigkeit“

Vielleicht alters- oder besser reifebedingt, möchte ich die Hypothese aufstellen und untermauern, dass Angst, nicht nur aktuell, eine riesige Rolle spielt, die die meisten Menschen – rationalisierend, verdrängend, verleugnend, projizierend – überhaupt nicht annähernd bewusst erkennen.

Nur schon einmal vorab als scheinbar absurde Frage:
Wie oft ist bei dir und anderen (dahinter, dahinter) die Tatsache, dass du dich ängstigst, die Motivation für ein (Nicht)Handeln? Ich bilde mir ein, dass der Grad, den ich erkennen zu glaube, erschreckend hoch ist…🤔

In der Grundtendenz möchte ich die würdigende These aufrecht erhalten, dass Angst ein starkes, evolutionär bedeutsames Grundgefühl ist, welches sich aber nicht nur immer „konstruktiv“ auswirkt…

Also die Conzendo-Grundthese ist:
Angst ist auf einer übergeordneten Ebene vielleicht ein Lücken- oder Trennungsphänomen (siehe das Thema Entfremdung). Je enger das Ich-Bewusstsein (an bestimmten Stellen), desto mehr Angst … wer das wirklich begreift, der …???

Vergrößere ich die „Trennungs- oder Lückenthese“ ein wenig, dann könnte ich auch noch zu folgender Überlegung kommen: Angst kann aus einem „Realitätsverlust“ heraus entstehen. Also da, wo ich entweder z.B. zu wenig hinschaue, verdränge, ausblende usw. oder zu viel ins dystopische (Medien)Glas schaue…

Was kann ich tun, um eine konstruktive Angstkultur zu entwickeln?
Zum Menschsein gehört, sich ängstigen zu können. Punkt.
Alles andere wäre unmenschlich… und unnatürlich.

Angst nicht zu verleugnen, abzuwehren, zu verdrängen usw., sondern sie achtsam wahr- und anzunehmen und aus ihr bzw. mit ihr zu lernen macht Sinn. Unsere Existenz als Mensch ist nun einmal fragil…

Angst regt uns doch an, uns umsichtig zu verhalten und uns auf Existentielles zu konzentrieren. Ja, letztlich macht sie uns bzw. erhält sie uns sogar lebendig.

Fazit hier: Achte auf die Art und Weise, wie du dich auf Angst beziehst…! Einbezogene Angst ist viel, aber meist keine Angst im klassischen Sinne mehr…
(Metapher: Angst als treuer, wahrer Freund oder Begleiter – würdest du „es“ dann noch Angst nennen?).

Meine bevorzugte Lieblingsmöglichkeit im Umgang mit Angst ist das, was ich einen vertieften „Kontakt zu sich selbst“ nenne. Sich ängstigen wird zu einem Weckruf, der mich daran erinnert, innehaltend den Eigenkontakt zu vertiefen. 

Das wird einigen, die unsere Entwicklung gerade mitbekommen, vertraut vorkommen.

Der Fokus hier: Die Ausrichtung auf Selbstverwirklichung oder Individuation verringert meines Erachtens Angstphänomene. Diese praktizierte Rückbindung in der persönlichen Tiefe schafft eine nahezu unerschütterliche Stabilität
(Metapher: Schwert am Segelboot).

Abschließend… wie ich im Moment auch über „Angst“ nachsinne:
Ich halte es u.a. auch für ein (subtiles) Resonanzphänomen… wie das Wasser, das auf den Fisch wirkt, der in ihm schwimmt.
Oder was latent in der Luft liegt… man kann es nicht wirklich fassen, aber es wirkt.

Sowas wie die Stimmung in der Gesellschaft, die Umstände in denen du lebst usw.

Danke für das Lesen meiner Worte.

Herzlichst
Ihr
Jürgen Weist