Leidenschaft oder was Leiden schafft
Von Jürgen Weist
Vor kurzem habe ich mich mit meiner Frau zu einem bestimmten Punkt ausgetauscht. Es ging um den Impuls, unsere Coaching-Informationstage mit einer kleinen Diskussion zu beginnen. Thema: Was ist (für mich) die Grundlage der meisten Themen, mit denen Menschen ins Coaching kommen?
Meine aktuelle These: Viele Menschen leiden mehr oder weniger an ihrem ganz normalen Leben, stecken in Gewohntem fest, leben überwiegend mechanisch, haben nichts oder nur noch wenig, was sie erfüllt, glücklich macht und manche sind sogar nur noch Schatten ihrer selbst. Normopathie nannte es Viktor von Weizsäcker, der Begründer der Psychosomatik.
Wolf Büntig bezeichnet es als normale Depression oder Erich Fromm sprach von Entfremdung. Alles Worte, die ziemlich das gleiche Phänomen bezeichnen …
Meine Partnerin meinte nun, dass kannst Du so doch nicht sagen, das macht doch (zusätzlich) depressiv. Vielleicht, war meine Antwort, aber möglicherweise schafft es auch ein Bewusstsein für das, was ist und das, was helfen könnte. Denn … erst, wenn wir wissen, worum es geht, können wir unsere gesunde Aggression entsprechend fokussiert nutzen (z.B. weggehen, von dem, was uns nicht gut tut, etwas lassen, das uns schadet usw.).
Ja, und natürlich sollte es darüber hinausgehen. Denn … wenn die These zumindest teilweise stimmt, dann stellen sich ja jede Menge Fragen: Betrifft mich das überhaupt? Wenn nein, ist da Abwehr im Spiel (ich bin doch kompetent, unabhängig und brauche niemanden)? Wenn ja, was gilt es zu tun oder zu lassen? Wie komme ich da raus? Geht das allein? Und … wie schaffe ich es, ein halbwegs glückliches, erfülltes und sinnvolles Leben zu führen? Usw.
Sicher gibt es da viele Möglichkeiten, Türen und Wege …
Unser Integrales Coaching z.B. ist so ein Potenzial-Entwicklungsraum. Dafür werbe ich gern. Darüber hinaus möchte ich Ihnen heute mit ein paar Ideen dienen, die ich so inhaltlich bei Viktor Frankl und Karlfried Graf Dürckheim „entliehen” habe. Es hilft,
- sich für ein Werk zu engagieren
- sich innerhalb einer Gemeinschaft einzusetzen
- eine Sache zu haben, die einem am Herzen liegt
- sich für jemanden einzusetzen oder ihn zu lieben.
Sie merken schon: Es geht da meist um etwas, das größer ist als man selbst und das einen über die engen Grenzen des (relativ engen) Ich-Bewusstseins hinaus „öffnet”. Selbsttranszendenz könnte man dies auch nennen …vielleicht ein wenig ungewöhnlich formuliert und nicht romantisch – sondern ganz handfest gemeint: Liebe … als funktionaler Hinweis darauf, dass etwas fließt. Und dieses Fließen zu (er)leben – das höre ich immer wieder von Menschen – erfüllt, macht glücklich, zufrieden usw.
Und mal ehrlich, wo bin ich besser, laufe zu höherer Form auf, als bei dem, wofür mein Herz schlägt …? Eigentlich doch ganz einfach, oder?
So betrachtet, ist Coaching die Art von anspruchsvoller Arbeit, mit der wir versuchen, Menschen wieder ans gute Leben zu gewöhnen …