Persönliche Zwickmühlen - und wie man sie löst...

Im Coaching begegnen mir immer wieder Menschen, die in tatsächlichen oder vorgestellten Zwickmühlen stecken. Eine Zwickmühle meint: Ich habe zwei Möglichkeiten und beide führen zu unerwünschten Ergebnissen. Egal, wie ich entscheide, ich bekomme etwas, was ich nicht wirklich will.

Beispiele:

  • Mein Job gefällt mir nicht mehr, aber ich muss Geld für meine Existenz verdienen. Höre ich mit dem Job auf, habe ich möglicherweise bald kein Geld mehr. Behalte ich den Job, muss ich weiter dort arbeiten, wo es mir schon lange keinen Spaß mehr macht.

  • Oder der Klassiker von Paul Watzlawik: Eine Mutter schenkt ihrem Sohn zwei Krawatten. Egal, welche er zuerst umbindet, die mütterlichen Fragen lauten: Warum hast du nicht die andere die andere Krawatte zuerst genommen? Liebst du mich nicht mehr?

Zwickmühlen, die auch Dilemmata genannt werden, finden sich in vielen Lebensbereichen. Ob Beruf, Partnerschaft oder sonst wo. Meist geht es gefühlt oder tatsächlich um bedeutsame Situationen und Bedürfnisse, die wir nicht so einfach (los)lassen können.

Anders gesagt:
Wo das Unterschreiten einer gewissen Grenze für uns gefühlt existenzielle Auswirkungen hat. Materielles Auskommen, aber auch Zugehörigkeit oder Liebe sind solche grundlegenden Themen.
In Zwickmühlen geraten wir übrigens meistens durch andere Menschen, also durch Lernen innerhalb von Beziehungen. Ich komme am Ende auf diesen Aspekt zurück.

Wie wirken sich Zwickmühlen aus?

Stecken Menschen in zwickmühlenartigen Situationen, so wechseln sie häufig zwischen

  • Verleugnung (“das passiert doch nicht wirklich mir, ach, so schlimm ist es doch gar nicht”),

  • Anstrengung & Kämpfen (“ich muss mich nur genügend anstrengen, um es hinzubekommen, beim nächsten Mal mit mehr „X“ klappt es bestimmt”) und dem

  • Erleben von Resignation bzw. Hilflosigkeit (“schon wieder gescheitert, ich kann machen, was ich will, es klappt einfach nicht, vielleicht bin ich auch völlig unfähig usw.”).

Wenn man in seinem Leben in eine solche Zwickmühle gerät, so kann das erhebliche Folgen haben: Wiederholt sich dieser Teufelskreis wieder und wieder, so sinkt das eigene Selbstwertgefühl und ein immer schnelleres „Sich-Infrage-Stellen“ (… vielleicht steht mir das auch gar nicht zu, ich verdiene das möglicherweise gar nicht) sind beobachtbare Auswirkungen.


Das dann die Angst vor erneutem Scheitern wächst und die Tendenz zur Vermeidung steigt, ist eigentlich logisch, oder? Eine Abwärtsspirale kann entstehen …
Das ist aber noch nicht alles. Was Zwickmühlen besonders tragisch werden lässt, ist, dass die meisten Versuche, aus ihnen zu entrinnen, innerhalb der Problemschleife stattfinden und damit die Zwickmühle verschlimmern. Das ist so, als hätte man sich mit dem Auto festgefahren und egal, ob man versucht Gas zu geben, einen anderen Gang zu benutzen oder nichts zu machen, das Auto sinkt tiefer ein.

Ein Beispiel dazu:

Person A sagt zur Person B: „Wenn du mich lieben würdest, dann würdest du mir das durch spontanes Tun beweisen“. Egal, was B macht, A könnte (weil sie B dazu ja aufgefordert hat) sagen: „Das war nicht spontan, also beweist es nur noch mehr, du liebst mich nicht“. Gleichgültig, wie Person B nun ihre Zuneigung zeigt, sie kommt nicht raus, weil der Lösungsversuch in der Problemschleife stattfindet.

Lösungsversuche dieser Art verschärfen oft das Problem, weil sie entweder das eigentliche Thema vertiefen oder sogar noch weitere Probleme schaffen. Wie bei dem sagenumwobenen Ungeheuer der Hydra, der, sobald sie einen ihrer Köpfe verlor, zwei neue nachwuchsen.

Ein aktuelles Beispiel aus meiner Coachingpraxis ist Ulrike:

Ulrike ist als Führungskraft beruflich überdurchschnittlich erfolgreich, sehr leistungsfähig, aber gleichzeitig auch Burnout gefährdet.

Ihre Zwickmühle: Der Tanz zwischen totalem beruflichen Engagement und gesundheitlicher Wegbrennen. Ich muss doch … aber ich kann doch nicht … ich frage Ulrike, welchen Sinn hat materielles Überleben, wenn sie dabei ihre Gesundheit opfert, wieder lebensbedrohlich krank wird?

Wir telefonieren ein paar Minuten. Sprechen über vieles, was Ulrike schon als Ausgleich probiert hat. Yoga, Laufen, Mediation alles an sich gute Sachen, die sie (Originalzitat) verdammt gut kann … verdammt gut … passt, weil wir gemeinsam erkennen, dass sie inzwischen alles benutzt, um sich tiefer und tiefer in ihre Zwickmühle hinein zu reiten. „Ist doch pervers, oder? …“, meint Ulrike seufzend zum Abschluss. Wir vereinbaren einen Termin für ein persönliches Coaching.

Was kann man tun? Wie kann man Zwickmühlen erfolgreich entkommen?


Schritt 1: Den Kontext wechseln oder verlassen

Die einfachste und zugleich gern übersehene Möglichkeit. Es gilt realistisch zu prüfen: Kann ich die Situation zeitweise oder ganz verlassen? Das kann am Anfang eine Auszeit (z.B. Sabbatical, Seminar, Weiterbildung, Zeit für sich) sein, in der ich eine neue, erweiternde Außenperspektive mit neuen Informationen gewinne.

Beispiel: Ulrike im obigen Beispiel könnte eine Woche an die Ostsee fahren und sich ein paar Fragen stellen, z.B.:

  • Ist mein jetziger Arbeitgeber der wirklich einzig mögliche?

  • Was hält mich in der Situation usw.?

Raus aus der Zwickmühle, um in der Außenansicht Klarheit zu bekommen ist die Devise.
Im Fall von Ulrike bedeutet das jetzt: Sie sucht sich einen weniger stressigen Arbeitsplatz.

Für die meisten Menschen ist es nicht so leicht die bisherige Situation zu verlassen. Deshalb verbleiben viele in den Situationen, obwohl sie es nicht müssten.

Frank Farrelly, der Altmeister des Provokativen, benannte fürs unnötige Verbleiben in Situationen drei gute Gründe. Er nannte sie Faulheit, Feigheit und Fixation – was mich zum nächsten Punkt bringt.

Schritt 2: Erkennen der Doppel-Bindung

Eine Fixation, das ist eine Bindung an althergebrachte Muster. Diese können schon sehr früh in der Kindheit gelernt worden sein. Solche alten Prägungen wirken unbewusst noch Jahrzehnte später. Eine Doppelbindung ist eine persönliche Prägung (Fixation), in der wir gelernt haben, bestimmte emotionale Bedürfnisse mit bestimmten Tun oder Inhalten zu verbinden.

Also wenn ich z.B. als Kind gelernt habe, mein Bedürfnis nach Liebe (Emotion) mit der Handlung des Naschens (Inhalt) zu verbinden. Solche Doppelbindungen sind ursächlich für Zwickmühlen. Sie sind die Struktur, die eine Zwickmühle scheinbar so fesselnd macht.

Für das Durchschauen einer solchen Doppelbindung, braucht es quasi einen Blick von außen auf die Situation selbst. Am besten mit etwas Abstand.

Einerseits geht bei dieser Außensicht um unverzichtbare, noch unerfüllte kindliche (emotionale) Bedürfnisse und andererseits um den erwachsenen Versuch, sie mit Inhalten zu erfüllen. Beides findet aber auf unterschiedlichen Ebenen geschieht statt. So kann es sein, dass ich, wie als Kind gelernt, als Erwachsener immer noch versuche, mein Bedürfnis nach Liebe (Emotion) mit dem Naschen von Schokolade (Inhalt) zu befriedigen und mich darüber wundere, dass das nicht gelingt.

Für ein Erkennen der Doppelbindung braucht es ein Erkennen der beiden Ebenen von „Emotion“ und „Inhalt“ sowie ein Erkennen ihrer Verschiedenartigkeit. Quasi ein Begreifen, dass ich in der Küche nicht das Wohnzimmer tapezieren kann. Ich muss also die meist verschiedenartigen Ebenen der Zwickmühle erkennen und unterscheiden. Erst, wenn klar wird, dass meine bisherigen Lösungsversuche auf falschen Annahmen beruhten, kann ich Neues ausprobieren.

Beispiel:

Wenn ich innerhalb einer Partnerschaft z.B. davon ausgehe, dass nur mein jetziger Partner meine Bedürfnisse erfüllen kann, dann wird es eng. Die mögliche Doppelbindung hier: Das emotionale Bedürfnis nach Liebe wird an einen bestimmten Inhalt, z.B. Versorgung, des einen Partners geknüpft. 

Wenn ich mir jedoch vergegenwärtige, dass diese Partnerschaft nur eine Möglichkeit ist und dass da draußen in der Welt noch Millionen andere sind, die vielleicht meine Bedürfnisse (anders/besser) erfüllen und es auch noch andere Wege und Möglichkeiten gäbe, dann entsteht mehr Freiheit. Übrigens auch dafür, ggf. entspannter in der bisherigen Partnerschaft zu bleiben.

Schritt 3: Die Beziehungsstruktur (von innen nach außen) ändern

Wenn das Erkennen der Doppelbindung der theoretische Plan zum Handeln ist, dann ist das Verändern der Beziehungsstruktur die praktische Umsetzung.

Im Beispiel Zuwendung:

Ich habe erkannt, dass hinter meinem Naschen letztlich ein Bedürfnis nach Liebe steht und nun probiere ich mich darin – in kleinen Schritten – Naschen und Schokolade z.B. durch Körperkontakt zu ersetzen. Ich nutze also die Erkenntnis aus der Doppelbindung (Schritt 2), um mein Bedürfnis nach Liebe mit dem passenderen Inhalt Körperkontakt in Beziehung zu setzen.

Die neue praktizierte Beziehungsstruktur lautet: Ich erfülle mein Bedürfnis nach Liebe durch passenden Körperkontakt. Die alte Struktur und Zwickmühle (der Versuch das Bedürfnis nach Liebe durch Naschen zu erfüllen) kann entfallen.

Diese Art von Beziehungsarbeit macht frei. Nicht nur von dem Gebundensein in Zwickmühlen. Es ist auch Bewusstseinsentwicklung, weil es ein wachsendes Selbstverständnis fördert. Wir erkennen, dass wir nicht nur aus analytischem Denken bestehen, sondern auch vielmehr emotionale Wesen sind.

Extratipp: Was hilft zusätzlich, um sich von Zwickmühlen zu befreien?

Alles, was das Selbstbewusstsein, das Selbstwertgefühl steigert. Situationen, Menschen, Umstände, die mich stärken. Manchmal kann es auch hilfreich sein, die Komplexität von Situationen zu verringern (z.B. weniger machen, das Tempo verlangsamen, Kernwerte klären), um das Wesentliche deutlicher hervortreten zu lassen.

Was ist ein erster Schritt heraus aus der Zwickmühle?

Das bewusste Erkennen in einer Zwickmühle zu sein, ist schon ziemlich anspruchsvoll. Die meisten meiner Coachingklienten wissen zwar um die unerwünschten Aus- und Nebenwirkungen in ihrem Alltag, erkennen aber nur selten die zugrundeliegende Dynamik einer Zwickmühle.

Wenn Dich also dieser Beitrag vielleicht für Deine eigenen Zwickmühlen sensibilisieren kann, dann ist der wichtigste Schritt gemacht: Lösungsbewusstsein entsteht.
Darüber hinaus möchte ich zwei echte Profi-Ideen aus meiner persönlichen Praxis empfehlen:

Idee 1: Gesunden Zweifel nähren…

Stelle Dir Fragen wie:

1. Ist das, wie ich es erlebe, wirklich so?

2. Ist das bei allen Menschen so? Wie erleben das andere?

3. Gibt es (bei mir/anderen) Ausnahmen (Zeiten, Orte, Umstände)?

4. Kann ich etwas identifizieren, was ich nicht (los)lassen kann/möchte? Wo ich genau wüsste, wenn ich das sein lassen könnte, dann würde die Zwickmühle keine mehr sein?

Idee 2: Auf dem Weg, wie hinein, so kommen wir wieder hinaus …

Wenn Interaktionen mit anderen Menschen uns hineingebracht haben, dann können wir auch genauso wieder aus Zwickmühlen befreit werden.
Die praktische Umsetzungsfrage dazu lautet:

Welche Menschen (und welches Beziehungsverhalten) könnte genau das in mir stärken, was mich aus dieser Zwickmühle befreit?

Beispiel Zuwendung:

Wenn ich wirklich statt „zu viel Schokolade naschen“ mehr Körperkontakt in mein Leben bringen will, dann braucht es dafür schlichtweg ein Gegenüber. Nicht neu, aber immer noch enorm wirksam: Sich auf das auszurichten, was Du möchtest, erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass Du Menschen und Situationen findest, die das Gewünschte für Dich bereithalten.

Zum guten Ende:

Sei im Erkennen von Zwickmühlen mit Dir und anderen wohlwollend. In Zwickmühlen zu stecken, ist nach meiner Erfahrung zutiefst menschlich. Ich z.B. habe in manchen Zwickmühlen Jahre verbracht.

Manche Mühlen mahlen langsam, aber immer ist, was dabei herauskommt, wirklich wertvoller als vorher…

(veröffentlicht bei zeitzuleben.de)