Resilienz integral betrachtet…

Resilienz als Wort stammt eigentlich aus der Werkstofflehre, wo es darum geht, inwieweit ein Werkstoff die Fähigkeit besitzt, nach Verformung in seine ursprüngliche Form zurückzuspringen.

Betrachtet man Resilienz als psychischen Wirkfaktor so könnte es darum gehen, wie Menschen besser mit Stressauslösern und Belastungen umgehen, ja möglicherweise sogar gestärkt aus ihnen hervorgehen. Wie Menschen (und Organisationen) sich Gesundheit, Leistungsfähigkeit, Lebensqualität und Freude am Tun erhalten bzw. wieder neu finden.

Eine eher alte Diskussion stellt die Frage, inwieweit persönliche Widerstandsfähigkeit ein angeborenes Merkmal ist oder ob es eher eine Fähigkeit ist, die erworben wird und die damit beeinflussbar wäre.

Vermutlich ist es wie in den meisten Fällen eine Mixtur aus beiden, wobei ich dem gelernten Anteil (Plastizität des Hirns) den Vorzug geben würde. 

Wir erleben Resilienz nicht als feste (dingliche) Eigenschaft einer Person, sondern eher als Prozess, dessen Maß sich aus den Wechselwirkungen ganz unterschiedlicher Faktoren (wie z.B. auch Umweltfaktoren) ergibt.

Der These, dass das Gegenteil von Resilienz Verletzlichkeit (Vulnerabilität) ist, können wir nicht zustimmen.

Wir sind im Umkehrschluss mit dem „Resilienz-Urgestein“ Emmy Werner der Meinung, dass Verletzlichkeit eine Voraussetzung für die Widerstandsfähigkeit ist.
Um den Faden metaphorisch weiterzuspinnen… Resilienz ist (für uns) kein hartes Etwas oder Ritterrüstung, sondern eher vergleichbar mit der Fähigkeit einer Weide, die bei starkem Wind oder einer Schneelast flexibel nachgibt und sich danach wieder (neu) aufrichtet.

Schaut man auf die persönlichen Fähigkeiten, so gibt es inzwischen eine Vielzahl von Resilienzkonzepten oder -modellen.

Hier findet sich eine Übersicht diverser Ansätze, die jedoch im Kern gar nicht so weit auseinanderliegen.

Was hat es nun mit einer integralen Betrachtung auf sich?

Integral wird ein Ansatz genannt, der verschiedene Denkansätze und Disziplinen verbindet und sich um eine umfassende Sicht bemüht.

Dazu ein kleiner Ausschnitt:
Persönlich ist mir eine möglichst „nicht-polare“ (nicht einseitige) Perspektive von Bedeutung. Eine, die nichts ausschließt, sondern möglichst viel einbezieht.

Wie kann ich das Eine unter angemessener Berücksichtigung des Anderen tun?

Alles, was auf Dauer einseitig wird, wackelt und „kippt“ irgendwann. Optimismus und Lösungsorientierung sind z.B. klassische Resilienzfaktoren.
Aber was ist Optimismus ohne die gewisse Portion Pessimismus?
Oder welche Lösung ist schon völlig losgelöst von einer Problembetrachtung?

Ideen, man müsste nur bestimmte Aspekte „hochfahren“ oder steigern, um resilienter zu werden, erscheinen mir zu einfach und damit lebensfremd.

Gern wiederhole ich mich anders:
Schauen wir auf Resilienz, dann haben sicher bestimmte Faktoren oder Haltungen durchaus ihren (Bezugs)Wert, aber letztlich wäre Resilienz das, was sich aus der systemischen Wechselwirkung verschiedener Aspekte in einer Art Quersumme ergibt.

Was sich quasi zwischen den Zeilen, den Faktoren ergibt… oder im Tanz der Faktoren miteinander. 

Wenn Sie eine andere Perspektive mögen:
Dann wäre Resilienz das bewegliche Ergebnis einer sich ständig bewegenden Strukturaufstellung.

Oder anders: Die Dosis macht es… und insofern haben wir unser ganz persönliches Resilienzmodell um das Prinzip der Angemessenheit (Suffizienz) ergänzt.

Als Antwort darauf, wieviel von etwas braucht es situativ, um in einer bestimmten Umgebung zu einer bestimmten Zeit integer zu bleiben und möglicherweise sogar an den Anforderungen zu reifen und zu wachsen.

Herzlichst
Ihr
Jürgen Weist