Selbstwertgefühl – was könnte das sein?
Von Jürgen Weist
Ehrlich …ich habe keine Ahnung. Und ich glaube, die meisten anderen auch nicht (Sie natürlich ausgenommen😉). Je tiefer ich ins Thema eintauche, desto mehr möchte ich behaupten, es ist etwas, das, wenn es vorhanden oder abwesend ist, sich in bestimmten Auswirkungen zeigt oder eine Qualität ist, die sich leichter im Vergleich zum Gegenteil, der Selbstabwertung deutlich machen lässt.
Ziemlich abstrakt würde ich sagen, wenn das Selbstwertgefühl hoch ist, dann können wir andere Dinge oder Dinge anders. Etwas in uns ist stärker, hat mehr Substanz oder so ähnlich. Mit einem hohen Selbstwertgefühl kann ich beispielsweise andere mehr wertschätzen, kann mehr und länger ausgleichend wirken, kann anders beitragen oder ich bin einfach auch flexibler.
Ist mein Selbstwertgefühl eher gering, so werden Ablehnung und Widerstand größer sein. Ich werde mich eher als Opfer der Umstände fühlen und anders (ggf. kritischer) mit mir selbst und andern umgehen. Ja, und vielleicht werde ich passiver sein, mich (eher) einsamer fühlen und ich werde eher zu Konflikten (Ab- und Ausgrenzung) neigen.
Ist gerade Selbstabwertung (oder sogar Selbsthass) vordergründig, dann scheint eine Art „Schmerz“ vorhanden zu sein, etwas, das wir nur schwer aushalten oder ertragen können. Dann entsteht daraus die Neigung, davon weg zu wollen, uns wieder gut fühlen zu wollen oder dafür zu sorgen, dass es uns besser geht. Da haben wir wohl alle mehr oder minder (Kompensations)Strategien entwickelt, um das (für meist nur kurze Zeit) hinzubekommen.
Okay zugegeben, die folgende These ist ein wenig gewagt, war bzw. ist aber für mich durchaus „hilfreich“. Es geht auf die Ebene von Bewusstsein. Im Laufe unseres Lebens entwickeln wir ein mehr oder minder starkes „Ich“-Bewusstsein. Wir sind jemand geworden, haben uns individualisiert, sind ein Subjekt geworden. Getrennt von anderen …und hier könnte der berühmte Hase im möglichen Pfeffer liegen. Diese Trennung (ich und der Rest der Welt) erzeugt oder bewirkt etwas. Hat unerwünschte Nebeneffekte!
Um in der Beschreibung „einfach“ zu bleiben, versuchen wir dann als „Ich“ immer sicherer, wertvoller, bedeutsamer usw. zu werden – und je mehr wir dies tun, umso mehr spielen (Nicht)Wert, (Un)Sicherheit, (Un)Bedeutung usw. eine tatsächlich existentielle Rolle für uns. Manchmal erscheint es mir so, als würden wir, in dem Versuch zu entrinnen, immer tiefer in den Schlamassel hineingeraten.
Die These heute lautet ungefähr so: Je mehr und stärker das Ich, desto größer der Abstand (die Trennung) zu dem Rest oder anders formuliert: Je mehr wir uns als Ich erleben, desto mehr schwindet das Gefühl von Zugehörigkeit zum Ganzen.
Spüren Sie dieser These doch einmal nach. Macht sie gefühlt ansatzweise Sinn? Erinnert Sie das an etwas oder jemanden? Schauen Sie sich im Alltag um … fragen Sie sich angesichts von „ich-starken“ Persönlichkeiten einmal, inwieweit die o.a. These ein interessanter Betrachtungswinkel sein könnte?