Was sind Konflikte eigentlich in ihrer Essenz?

Nicht nur die Konstruktivisten wissen: Wie man sich auf etwas bezieht, wie man es anschaut, zu dem wird es. Zumindest für den, der so schaut.

Was so viel heißen soll wie: Finde ich Konflikte „doof“, so ist das für einen gelingenden Umgang mit solchen Situationen eher nicht hilfreich.

Betrachtet man Konflikte aus einer systemtheoretischen Warte, so könnte man sie durchaus als die Tendenz eines Systems bezeichnen, aus einer Widersprüchlichkeit auf eine nächsthöhere Stufe shiften zu wollen.

Gleichsam sind satte Konflikte dadurch gekennzeichnet, dass unterschiedliche Positionen (scheinbar) trennend aufeinanderprallen.

Deshalb möchten wir eine zunächst paradox wirkende These anbieten, mit der man die meisten Konflikte besänftigen, lösen oder sogar als transformativen Treibstoff nutzen kann.

Die These lautet: Jeder, ja wirklich jeder Konflikt besteht darin, dass es trennende Unterschiedlichkeiten gibt und gleichzeitig immer eine (meist übersehene) Verbundenheit.

Beispiel: Ein Scheidungsehepaar streitet sich um das Sorgerecht für´s Kind.

Und jetzt kommt es darauf an!
Fokussiere ich die Unterscheidung, möglicherweise sogar nur einseitig, so ist das wie Benzin ins Feuer gießen.

Schaffe ich es, den Fokus der Aufmerksamkeit jedoch auf das Gemeinsame, das Verbindende zu legen, so entstehen mehr integrative Möglichkeiten.

Angewendet aufs Beispiel: Solange jeder das Kind z.B. für sich haben möchte, kann der Streit endlos und eskalierend weitergehen. Kann man sich darauf beziehen, dass es beiden um das Wohl des Kindes geht, entsteht möglicherweise eine Übereinstimmung, ein „Ja-Rahmen“, der dann vielleicht eine entspanntere Schau für konkrete Lösungen bietet.

So gesehen könnte man die These aufstellen, dass Konflikte Situationen sind, in denen bevorzugt und polarisierend mehr das Unterscheidende als denn das Verbindende fokussiert wird.

Und insofern wiederhole ich es gern:
Jeder Konflikt beinhaltet beides, Unterscheidung und Verbindung, wobei letzteres gern vergessen oder übersehen wird.

Glauben Sie mir bitte kein Wort, bevor Sie es nicht selbst ausprobiert haben.

Und als kleine Warnung:
Je verfahrener und verfestigter eine polare Sichtweise ist, desto anspruchsvoller kann es natürlich sein, das verbindende Muster herauszuarbeiten und zu akzeptieren.

Danke für das Lesen meiner Worte.

Herzlichst
Ihr
Jürgen Weist