Wer will schon ängstlich sein…?

Vieles von dem, was dem Leben Sinn und Orientierung gibt, ist im Moment in Bewegung, oder?
Auch wenn im Leben irgendwie schon immer Veränderung dran war… panta rhei… gefühlt war das Leben selten so flüchtig, vergänglich und unbeständig wie im Moment. Was passiert da eigentlich?

Geraten wesentliche Bezugspunkte (wie Job, Beziehungen, Gesundheit) usw. in Bewegung, so stresst das viele Menschen.
Interessant am Zeitgeschehen könnte sein, dass es die Menschen ziemlich an den Grundbedürfnissen abholt. Wärme, Energie und Nahrungsmittel sind nahe dran am „Überleben“. Das ist viel mehr als der Verlust von Wohlstand.
Ein Nachbar meinte gerade zu mir, dass sich seine Energiekosten versechsfacht haben… heute sei der Brief gekommen. Das sich Menschen sich da sorgen und ängstigen ist doch leicht nachvollziehbar.

Im Moment spreche ich mit vielen Menschen. Und nur wenige haben ein ausgewogenes Verhältnis zum Thema Angst. 

Zum Thema Angst ist schon viel geschrieben worden. Es gibt da wunderbare und reichhaltige Literatur zu Themen wie: Angst als Aktivierung, Grundlagen der Angst, wie man mit Ängsten umgeht und dergleichen…

Ich möchte meinen Blick einmal kurz über das Übliche hinaus richten. Wie sagte mein Aikidotrainer eines Abends auf der Matte: 

„Wir sind zwar alle verbunden, aber nicht auf einander bezogen.“ Wow, dachte ich, was für ein Satz. Drückt er doch aus, dass für wirklichen, ja wirksamen Kontakt Bezogenheit eine gewichtige Rolle spielen könnte.

Übersetze ich dies für mich, dann könnte es (thematisch) bedeuten:
Wie ich mich als „Ich“ auf meine Angst beziehe, so wird sie für mich.

Ich weiß, das klingt banal, ist es aber beileibe nicht! Worauf beziehe ich mich wie, wird (so meine Einschätzung) zu einer Frage werden, die massiv an Bedeutung gewinnen wird.

Gerade beim Einkaufen dachte ich: Es ist ein wenig wie beim Stehen und Gehen, ich bin zwar über Beine und Füße mit dem Boden verbunden, was aber noch lange nicht heißt, dass ich auf ihn bezogen bin…🙃

Zurück zum Ängstigen. Vielleicht beginnt es damit, dass mein „Ich“ es als okay empfindet, Angst zu haben. Gerade, wenn die Dinge uneindeutig sind.

Und wenn ich noch weiter gehe, dann die Frage: Sind die Angst und ich eigentlich getrennte Qualitäten? Ich habe Angst… hört sich so an, als wären das getrennte Aspekte.
Die Aussage: Ich ängstige mich… kommt möglicherweise dem Ganzen schon näher.

Und… um nochmal die Kurve zu kriegen:

Vielleicht ist Angst ja durchaus eine Art Rückmeldesystem darüber, mit etwas außen oder innen (mehr und tiefer) in Kontakt zu gehen. Sich anders zu beziehen… 

Dann würde die Aussage meines Aikidotrainers (es geht um Bezogenheit) nochmals an Bedeutung gewinnen.

Seien Sie gewarnt. Nicht, dass Sie mir anfangen, Ihre Angst zukünftig wertzuschätzen. Wo kämen wir denn da sonst hin?

Herzlichst
Ihr
Jürgen Weist