Zwischen den Menschen …

In der Medizin oder Psychologie verwendet man den Begriff „Compliance“ für die Bereitschaft eines Patienten zur aktiven Mitwirkung an therapeutischen Maßnahmen. Das etwas gebräuchlichere Wort „Commitment“ (sich zu etwas bekennen oder verpflichten) ist in seiner Bedeutung ja gar nicht weit davon entfernt.

Aber was führt denn dazu, dass Menschen „mitgehen“, folgen oder sogar mitwirken? Sitzen wir tatsächlich immer alle in einem Boot, wie so gern gesagt wird? Eine interessante Antwort könnte da das Wechselspiel zwischen Einheit und Vielheit geben oder anders gesagt: Für ein Wir braucht es zwei.

Menschliche Beziehungen entstehen (wie auch die o.a. Qualitäten) im Wechselspiel zwischen Einheit und Vielheit, zwischen Gemeinschaft und Trennung, zwischen Nähe und Distanz.
Vielleicht fragen Sie sich, worauf will er eigentlich hinaus?

Es geht in Richtung Dialog, das, was zwischen den einzelnen Menschen existiert… etwas, das sich im Wir ausdrückt, ohne im Einzelnen zu sein… wie sich Menschen beispielsweise aufeinander beziehen sollten, damit Commitment entsteht oder auch nicht. Welche Dynamik, welche Spielregeln könnten dem zugrunde liegen?

Helm Stierlin (einer der Väter der Familientherapie) hat dazu eine ganz brauchbare Perspektive geliefert. Er ging davon aus, dass sich Beziehungen innerhalb von fünf Basis-Polaritäten bewegen und austarieren. Er sah Beziehungen und ihre hervorgebrachten Effekte als beweglichen Dialog im Sein, Sprechen und vor allen Dingen Handeln. Das ist eine zutiefst systemische Sicht, denn danach ist der Charakter einer Beziehung (das Zwischen den Menschen) genau das, was letztlich Effekte hervorbringt.

Treibt man das (nur ein wenig) auf die Spitze, so könnte man sogar die kühne Behauptung aufstellen, Menschen haben keine Eigenschaften an sich, sondern ihre Eigenschaften sind eher das, was ihre Beziehungen in oder aus ihnen hervorbringen. Das klingt für Alltagsohren zunächst einmal ungewöhnlich, oder?

Die Polaritäten nach Stierlin sind:

Nähe/ Distanz:

Eine Beziehung braucht ein Mindestmaß an Nähe und ein Mindestmaß an Distanz. Aus Abstand erkenne ich eher das Ganze, in der Nähe eher das Detail. Eine ausgewogene Beziehung lebt von der Beweglichkeit dieser Polarität.

Verschiedenheit/ Gleichheit:

Gegensätze ziehen sich an, erzeugen Attraktion, Gleiches schafft Übereinstimmung und damit Vertrauen und Anknüpfungspunkte.

Dauer/ Augenblick:

Der Augenblick bringt Vitalität und Intensität ins Erleben. Dauer ist die Quelle für Nachhaltigkeit, Verbindlichkeit und Tiefe.

Stimulierung/Stabilisierung:

Stimulierung sorgt für Neues, Reizvolles und Entwicklung. Stabilität bringt Ruhe, Entspannung und ggf. Erholung.

Befriedigung und Versagen:

Sollen Bedürfnisse befriedigt werden, so braucht es auch die Zumutung der Entsagung und das Spiel dazwischen.

Der Tanz zwischen diesen Polaritäten bestimmt weitestgehend das Zwischen, den Charakter einer Beziehung. Ganz unabhängig vom gewünschten Effekt (wie Compliance oder Commitment) kann man sich fragen, was braucht die entsprechende Situation bzw. Beziehung, um das Gewünschte wahrscheinlich(er) werden zu lassen? Ganz losgelöst davon, ob ein Politiker um Vertrauen für seine Maßnahmen wirbt, eine Verkäuferin ihr Produkt offeriert oder es um die Qualität einer Paarbeziehung geht.

Fühlen Sie sich eingeladen. Es ist ein ungewöhnlicher Blick, nicht nur auf sich selbst oder den anderen zu schauen, sondern das „Dazwischen“ in dem, was es braucht, anzuerkennen.

Gutes Gelingen …